Vorsicht bei langer Dauer der Wirksamkeitsprüfung von Testamenten
Selbst in den besten Familien kommt es nicht selten im Erbfall zu Streit. Es gilt auch hier das Motto: „Bei Geld hört die Freundschaft (auch die Familie) auf.“ Haben die Ehegatten ein Testament errichtet, in welchem z.B. nicht alle Kinder hinreichend bedacht wurden, kann Streit über die sogenannten Pflichtteilsansprüche bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen.
Kinder und Ehegatten, bei kinderlosen Erblassern auch die Eltern, sind durch Pflichtteilsansprüche an einer Mindestteilhabe am Nachlass geschützt. Der Pflichtteilsanspruch stellt einen Geldanspruch da, welcher sich gegen die Erben richtet. Der Pflichtteilsberechtigte wird somit nicht Eigentümer oder Inhaber konkreter Gegenstände. Vielmehr muss der Wert des Nachlasses von den Erben ermittelt werden und den Pflichtteilsberechtigten steht ein Zahlungsanspruch zu. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsanspruch ist somit wesentlich geringer als der gesetzliche Erbanspruch.
Meist fühlen sich die Personen, die im Testament nicht hinreichend bedacht wurden, so benachteiligt, dass sie die Wirksamkeit des Testamentes angreifen. Diese Verfahren sind, da er sich um Familien handelt, sehr häufig von Emotionen geprägt und geleitet. Es wird beispielsweise in Abrede gestellt, dass der Erblasser bei Errichtung des Testamentes eigenbestimmt gehandelt hat. Es wird hinterfragt, ob er, sofern er im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes erkrankt war, überhaupt noch geschäftsfähig war. Teilweise wird in Abrede gestellt, dass der Erblasser das Testament eigenhändig geschrieben hat.
Feststellung der Wirksamkeit des Testamentes im Erbscheinsverfahren
Diese Verfahren zur Feststellung der Wirksamkeit des Testamentes im Erbscheinsverfahren durch alle Instanzen können teilweise Jahre dauern. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Testament wirksam ist, stellt sich rechtlich sodann die Frage, ob und wann etwaige Pflichtteilsansprüche verjähren.
In einem vom Oberlandesgericht München mit Urteil vom 22.11.2021 entschiedenen Fall hatten pflichtteilsberechtigte Kinder die Wirksamkeit des Testamentes der Eltern angegriffen. In erster und zweiter Instanz verloren sie. Das Gericht ging von einem wirksamen Testament aus.
Da sie aufgrund des wirksamen Testamentes nicht am Nachlass partizipierten, wollten sie nunmehr ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Als Kinder waren sie pflichtteilsberechtigt. Sie verlangten von den Erben Auskunft zur Höhe des Nachlasses, um die Geldansprüche zu berechnen. Die Pflichtteilsansprüche waren jedoch zwischenzeitlich bereits verjährt, da die Verfahren zur Feststellung der Wirksamkeit des Testamentes der Eltern so lange gedauert hatten.
Verjährung des Pflichtteilsanspruches
Der Pflichtteilsanspruch verjährt drei Jahre nach dem Erbfall. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom wesentlichen Inhalt des Testamentes erlangt hat und nicht aufgrund eines Tatsachen- und Rechtsirrtums davon ausgeht, dass dieses Testament unwirksam ist.
Vorliegend hat das Oberlandesgericht München den Pflichtteilsberechtigten gerade nicht die Möglichkeit eingeräumt, die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Testamentes durch alle Instanzen überprüfen zu lassen und dann erst ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Das Oberlandesgericht München ging davon aus, dass aufgrund der umfassenden Beweisaufnahme in erster Instanz die Pflichtteilsberechtigten bereits hinreichende Kenntnis von der Wirksamkeit des Testamentes hatten. Sie hätten somit bereits nach Abschluss der ersten Instanz vorsorglich den Pflichtteilsanspruch geltend machen müssen.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche nicht erst mit der letztinstanzlichen Entscheidung zur Wirksamkeit des Testamentes zu laufen beginnt. Sollten Sie von der Frage betroffen sein, ob ein Testament wirksam oder unwirksam ist, muss zwingend geprüft werden, ob Ihnen bei Vorliegen eines wirksamen Testamentes Pflichtteilsansprüche zustehen würden und wann diese spätestens geltend gemacht werden müssen.
Oberste Priorität hat daher die Prüfung der Verjährungsfrist bei Pflichtteilsansprüchen. Ist diese Frist versäumt, kann kein Anspruch mehr geltend gemacht werden – unabhängig davon, wie hoch der Nachlass ist. Um kein rechtliches Risiko einzugehen, sollte daher der sicherste Weg gewählt und die Verjährungsfrist im Blick behalten werden.