Seit dem 01.01.2015 haben Arbeitnehmer -gesetzliche Ausnahmen gibt es wenige- einen unverzichtbaren Lohnanspruch auf mindestens 8,50 € brutto pro Zeitstunde. Die Versuchung, diese neue, für manches Unternehmen existenzbedrohende Belastung, zu umgehen, ist groß. So sind offiziell als Teilzeit angegebene Stellen in Wahrheit Vollzeitjobs, Überstunden müssen geleistet werden, ohne bei der Lohnabrechnung erfasst und bezahlt zu werden, die sog. Scheinselbstständigkeit erlebt -angeblich- eine neue Blüte. Ideen und Varianten, die Umgehung des Mindestlohns zu versuchen, gibt es viele.
Der Gesetzgeber hat dies gesehen und Unternehmern bestimmter „verdächtiger“ Branchen erhebliche Dokumentationspflichten zur Arbeitszeit auferlegt. Branchenunabhängig gilt die Aufzeichnungspflicht auch für jeden „450 €-Job“. Bei Verstoß drohen Bußgelder.
Damit aber nicht genug. Der Unternehmer soll nach dem Wortlaut des Gesetzes nunmehr auch den Arbeitnehmern des von ihm beauftragten Subunternehmers für die Zahlung des Mindestlohns selbstschuldnerisch bürgen. „Selbstschuldnerisch“ bedeutet: Der Arbeitnehmer muss nicht erst versuchen, gegen seinen Arbeitgeber vorzugehen, sondern kann sich sogleich an dessen Auftraggeber, den Bürgen halten. Auf ein Verschulden des Bürgen für seine Inanspruchnahme kommt es nicht an. Zur „Bürgenhaftung“ verweist das MiLoG in § 13 auf § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Dort heißt es:
„Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit […] Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet […] für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers […] zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen […] wie ein Bürge […]“.
Die Bürgschaft bezieht sich nur auf das Netto-Entgelt. Die Haftung besteht allerdings nicht nur für den unmittelbaren Subunternehmer, sondern auch für dessen Subunternehmer und wiederum dessen Subunternehmer usw.
Der Begriff „Unternehmer“ muss beim Mindestlohngesetz -entsprechend der Rechtsprechung des BAG zu § 14 AEntG- deutlich eingeschränkt ausgelegt werden. Nach dem ursprünglichen Zweck des AEntG sollten nämlich nur Generalunternehmer, die ihre Bauverpflichtungen gegenüber dem Bauherrn auf Subunternehmer übertragen, in die Haftung als Bürgen genommen werden. Deshalb gleichgültig, ob als privater Verbraucher oder als gewerbliche Unternehmer: Der Auftraggeber haftet als Bauherr nicht wie ein Bürge für den Mindestlohn der Arbeitnehmer des Auftragnehmers.
Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung des BAG zu § 14 AEntG die Bürgenhaftung auch nicht für solche Aufträge, die ein Eigengeschäft sind. Beauftragt beispielsweise ein Unternehmer eine Reinigungsfirma, besteht keine Bürgenhaftung für den Mindestlohn der Reinigungskräfte. Es fehlt für die Haftung als Bürge die nach dem Zweck des Gesetzes notwendige eigene Verpflichtung des Unternehmers gegenüber einem Dritten, zu deren Erfüllung er sich eines Subunternehmers bedient. Es liegt eben ein sog. Eigengeschäft vor.
In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Formulierungsempfehlungen zur Bürgenhaftung. Setzt man alle Bedenken um, umfasst schon jeder „Klein-Auftrag“ 1 bis 2 Seiten allein zu dieser Problematik. Da aber niemand weiß, was das BAG zum Mindestlohn künftig entscheiden wird, ist natürlich auch Vorsicht geboten.