BAG, Urteil vom 23.08.2011, Aktenzeichen: 10 AZB 51/10
Wird ein Geschäftsführer einer GmbH abberufen, sind die Arbeitsgerichte für Streitigkeiten aus dem der Tätigkeit zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zuständig, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat. Für Klagen auf rückständiges Ent-gelt, Abfindung, Gewinnbeteiligung, Arbeitsbe-scheinigung und Zeugnis sind die Arbeitsgerichte und nicht – wie regelmäßig – die Zivilgerichte zu-ständig.
Der Fall: Der Kläger schloss mit der Beklagten im Juni 2007 einen Ar-beitsvertrag. Im Juni 2008 wurde er zum Geschäftsführer bestellt und im Handelsregister eingetragen. Im Dezember 2009 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und die Abberufung im Handelsregister ein-getragen. Mit der Abberufung wurde dem Kläger gleichzeitig außeror-dentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Kläger forderte rückstän-diges Arbeitsentgelt, Abfindung, Gewinnbeteiligung, Zeugnis u. a..
Grundsätzlich gilt, dass Streitigkeiten des Geschäftsführers einer GmbH nicht vor die Arbeitsgerichte, sondern immer vor die allgemeinen Zivil-gerichte gehören. § 5 Abs. 3 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz fingiert unab-hängig von der tatsächlichen materiellen Rechtslage, dass Geschäftsfüh-rer keine Arbeitnehmer sind. Auf das zu Grunde liegende Anstellungs-verhältnis kommt es nicht an. Entscheidend ist die Organstellung.
Regelmäßig liegt der Organstellung des Geschäftsführers ein freies Dienstverhältnis zu Grunde. In nicht wenigen Fällen – wie vorliegend geschehen – belassen es die Parteien bei dem ursprünglichen Arbeits-verhältnis, wenn der Arbeitnehmer „zum Geschäftsführer ernannt“ wird, er also die Organstellung erreicht. Ein neuer schriftlicher Vertrag wird nicht geschlossen. Wird vor diesem Hintergrund der Geschäftsfüh-rer dann später abberufen, besteht das Arbeitsverhältnis mit der Konse-quenz weiter fort, dass die Arbeitsgerichte wieder zuständig sind.
Der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH liegt zwar regelmäßig die vertragliche Abrede zu Grunde, das Arbeits-verhältnis aufzuheben und als (freien) Geschäftsführer-Dienstvertrag fortzusetzen, anders ist es aber – worauf das BAG in dem vorliegenden Fall zu Recht hinweist – wenn der Arbeitnehmer aufgrund formloser Abrede zum Geschäftsführer bestellt wird. Eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses liegt nicht vor, da die zwingende Schriftform nach § 623 BGB nicht eingehalten wurde. Mit der Abberu-fung aus der Organstellung wird in Fällen wie dem vorliegenden aus dem Geschäftsführer wieder ein Arbeitnehmer mit der Folge, dass die gesetzliche Ausschluss-Fiktion für Geschäftsführer nach § 5 Abs. 3 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz nicht mehr greift. Bei Vorliegen der sonstigen Vo-raussetzungen sind für die Ansprüche des Geschäftsführers dann die Arbeitsgerichte zuständig, was sowohl für die örtliche Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts als auch für das Kostenrisiko von erheblicher Bedeutung sein kann.