Bisher war eine reine Fernbehandlung nach § 7 Abs. 4 MBO-Ä berufswidrig. Diese liegt vor, wenn der Arzt Behandlungsleistungen per Print- und Kommunikationsmedien oder im Rahmen der Telemedizin erbringt, ohne den Patienten vorher gesehen zu haben oder direkt mit ihm sprechen zu können. Nach einer Lockerung dieser Regelung durch den 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt hat der 28. Sächsische Ärztetag diese Initiative aufgegriffen und die Berufsordnung der sächsischen Landesärztekammer entsprechend geändert. Danach ist eine „ausschließliche Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Aufklärung, Beratung und Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird“ (vgl. Beschlussprotokoll des 28. Sächsischen Ärztetag, BV 6, S. 1). Somit ist ab sofort in Sachsen vor der Behandlung kein physischer Kontakt zwischen Arzt und Patient mehr erforderlich. Die Behandlung kann ausschließlich per Telefon, Telefax, E-Mail, SMS, Chat, Video-Chat oder anderem Wege erfolgen, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Berufsordnung und anderer Gesetze vorliegen.
Reicht es z.B. für eine fachgerechte Befunderhebung oder Diagnoseerstellung nicht aus, die Beschwerden des Patienten über das Telefon zu ermitteln oder via Bildschirm die Diagnose zu erstellen, dürfte eine ausschließliche Fernbehandlung sicher auch künftig nicht vertretbar sein, da sie dem Facharztstandard nicht genügt. Letztlich droht hier nicht nur das Berufsrecht, sondern auch eine zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung. Deshalb muss der Arzt den Patienten auch über das besondere Risiko der ausschließlichen Fernbehandlung aufklären, um Einwilligungsmängel zu vermeiden.
Allerdings darf für eine Fernbehandlung nicht geworben werden (§ 9 HWG). Problematisch könnte dies zum Beispiel bei einer vom Arzt betriebenen webbasierten Plattform sein, über die ein Video-Chat-Tool zur Fernbehandlung angeboten wird. Zudem dürfen Apotheker gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 und 3 AMG keine Arzneimittel an ihre Kunden abgeben, wenn ihnen offenkundig wird, dass kein direkter Kontakt zwischen Patient und Arzt stattgefunden hat. Somit gefährdet der Arzt durch ausschließliche Fernbehandlung die Arzneimittelversorgung des Patienten.
Auch das Vertragsarztrecht geht derzeitig noch davon aus, dass sich der Arzt vor Verordnung eines Arzneimittels im direkten Kontakt vom Krankheitszustand des Patienten überzeugt hat (§ 8 Abs. 2 AM-RL; § 15 Abs. 2 BMV-Ä). Vor diesem Hintergrund sind entsprechende Klarstellungen der Normgeber erforderlich. Es ist nicht ohne Risiko, die entgegenstehenden Normen so auszulegen, dass die Änderung der Berufsordnung „hineingelesen“ wird.
Dennoch ist die Novellierung des Berufsrechtes ein großer Schritt, um Versorgungsdefizite in ländlichen Gebieten abzumildern, den Patienten zentralisierte Behandlungsmethoden zu eröffnen und die enormen Fortschritte computergestützter Diagnoseverfahren – etwa bei bildgebenden Verfahren oder im Bereich der Humangenetik – künftig für Patienten besser nutzbar zu machen.