„Der Vorteil des Mieters ist der Nachteil des Vermieters“
So könnte auch die Überschrift der neuen Bundesgerichtshofs-Entscheidungen lauten: Am 18.03.2015 hat der Bundesgerichtshof zwei wegweisende Urteile gefällt, welche Vermieter möglicherweise vor große finanzielle Einbußen stellt. Aufgrund der neuen Entscheidungen dürften in einer Vielzahl von Mietverträgen die Schönheitsreparaturklausel unwirksam sein, so dass der gesetzliche Grundgedanke –„Der Vermieter trägt die Kosten von Schönheitsreparaturen“ – aufkeimt und Vermieter verpflichtet sind, während und nach dem Mietverhältnis Schönheitsreparaturen durchzuführen.
Im Einzelnen:
1. Bundesgerichtshof Urteil vom 18.03.2015, BGH VIII ZR 185/14
„Die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält der Inhaltskontrolle (…) nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt.“
Übergibt der Vermieter die Wohnung unrenoviert oder im renovierungsbedürftigen Zustand, so kann er vom Mieter nicht die Vornahme von Schönheitsreparaturen verlangen. Einzige Ausnahme stellt die Ausgleichszahlung zu Beginn des Mietverhältnisses dar, so dass der Mieter die Renovierung selbst übernimmt. Praktisch wird dies meist durch Erlass der Kaltmiete umgesetzt. Glücklicherweise hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung die Begrifflichkeiten definiert, wie „unrenoviert“ und „renovierungsbedürftig“ zukünftig auszulegen ist. In der Vergangenheit wurde hier ja durchaus der ein oder andere Streit ausgefochten.
Nach der Auffassung des Gerichts soll eine Wohnung unrenoviert oder renovierungsbedürftig sein, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder völlig abgewohnt ist. Unerhebliche Gebrauchsspuren sollen außer Betracht bleiben. Der rechtliche Laie stellt sich nunmehr die Frage, was sind unerhebliche Gebrauchsspuren. Dies sollen Gebrauchsspuren sein, welche nicht ins Gewicht fallen. Letztendlich soll es nur auf den Gesamteindruck der überlassenen Mieträume ankommen. Grundsätzlich kommt es jedenfalls nicht auf den subjektiven Eindruck des Mieters oder des Vermieters an, sondern auf eine objektive Betrachtung – demnach, was würde ein verständiger Dritter empfinden. Problematisch ist immer, dass die Beteiligten unterschiedliche ästhetische Empfindungen haben. Was für einen Mieter abgewohnt erscheint, ist für den Vermieter durchaus noch normal. Wobei hier angenommen werden könnte, dass Mieter immer eine frisch renovierte Wohnung übernehmen bzw. einen entsprechenden Ausgleich für die Selbstvornahme erhalten wollen (dazu gleich ausführlicher). Und hier beginnen die Diskussionen – und Probleme – zwischen Mieter und Vermieter. Können sich die Mietvertragsparteien nicht einigen, entscheidet sodann der in dem Rechtsstreit zuständige Richter „unter umfassender Würdigung aller für die Beurteilung des Einzelfalles maßgeblichen Umstände.“ Letztendlich kommt es dann wieder unumgänglich auf das ästhetische Empfinden des Richters an. Vermieter können nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes die Schönheitsreparaturklausel für unrenovierte oder renovierungsbedürftige Wohnungen nur wirksam vereinbaren, wenn sie einen entsprechenden Ausgleich zu Beginn des Mietverhältnisses zahlen. Der Ausgleich soll den Mieter finanziell so stellen, als hätte er eine renovierte Wohnung übernommen. Offen gelassen wurde jedoch, welche Höhe der Bundesgerichtshof für angemessen hält. Der Bundesgerichtshof hat nur entschieden, dass eine halbe Kaltmiete für drei renovierungsbedürftige Zimmer keine angemessene Kompensation darstellt. Meines Erachtens sollte die Höhe des Ausgleiches von der Größe der Wohnung und dem Grad der Abnutzung abhängig sein. Die Ausgleichszahlung sollte als vertragliche Vereinbarung in den Mietvertrag eingehen und durch die Parteien individuell vereinbart werden. Von formularvertraglichen Vereinbarungen (in allgemeinen Geschäftsbedingungen) sollte abgesehen werden.
2. Bundesgerichtshof Urteil vom 18.03.2015, Az. VIII ZR 242/13
„Quotenabgeltungsklauseln benachteiligen den Mieter nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen und sind daher unwirksam, weil sie von dem Mieter bei Vertragsschluss verlangen, zur Ermittlung der auf ihn im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrfach hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen.“
Quotenabgeltungsklauseln werden in Mietverträgen vereinbart, um den Mieter zu verpflichten, einen bestimmten vorfestgelegten Prozentsatz der Kosten für von ihm durchzuführende, aber bei Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht fällige Schönheitsreparaturen zu übernehmen. Mit der vorbenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof seine jahrzehntelange bisherige Rechtsprechung aufgegeben, welche Quotenabgeltungsklauseln er noch für wirksam erachtete. Nunmehr ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vorliegt, sofern der Mieter bei Vertragsschluss unter Zugrundelegung seines individuellen Verhaltens erkennen soll, welcher Abnutzungsgrad bei unbekannter Beendigung des Mietverhältnisses vorliegen wird. Eine sichere tatsächliche Kostenbelastung kann der Mieter bei Mietbeginn nicht einschätzen. Und hier sieht der Bundesgerichtshof die unangemessene Benachteiligung des Mieters. Aufgrund der jetzt getroffenen Entscheidung wird eine Vielzahl der Mietverträge eine unwirksame Quotenabgeltungsklausel enthalten, so dass der Vermieter die Kosten der Renovierung oftmals selbst tragen wird ohne die Kosten zumindest anteilig auf den Mieter umlegen zu können.
In der Zusammenschau der beiden Entscheidungen hat die Unwirksamkeit der Quotenabgeltungsklausel auch Auswirkungen auf das neue Mietverhältnis. Aufgrund der erstbenannten Entscheidung kann der Vermieter die Wohnung auch nicht ohne wirtschaftliche Konsequenzen unrenoviert dem Nachmieter übergeben. Zumindest ein finanzieller Ausgleich muss dem Nachmieter für die Eigenrenovierung gewährt werden. Unabhängig von der gewählten Variante wird der Vermieter um eine finanzielle Investition nicht herum kommen, da er entweder selbst renovieren oder einen Ausgleich an den Neumieter zahlen muss, um die Wirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel aufrechtzuerhalten. Meines Erachtens haben die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Vermieter. In der Vermieterpraxis wird die Quotenabgeltungsklausel in den bisherigen Fassungen nunmehr keine Anwendung finden. Es wird abzuwarten sein, wie zukünftig der Mieter finanziell beteiligt wird, wenn Schönheitsreparaturen bei Auszug notwendig aber noch nicht fällig sind.