„In einer Situation (…), in der ein Bieter beabsichtigt, einen öffentlichen Auftrag ausschließlich durch
Inanspruchnahme von Arbeitnehmern auszuführen, die bei einem Nachunternehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, beschäftigt sind, steht Art. 56 AEUV der Anwendung von Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem dieser öffentliche Auftraggeber angehört, entgegen, die diesen Nachunternehmer verpflichten, den genannten Arbeitnehmern ein mit diesen Rechtsvorschriften festgelegtes Mindestentgelt zu zahlen.“
In seinem Urteil vom 18.09.2014, C-549/13, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass nationale Bestimmungen, die vorschreiben, dass bestimmte öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die ihren Beschäftigten einen in dem Mitgliedstaat der Ausschreibung geltenden Mindestlohn zahlen, u.U. eine Einschränkung der im Art. 56 AEUV geregelten Dienstleistungsfreiheit darstellen können. Dies insbesondere, wenn der Bieter die komplette Auftragsausführung einem im EU-Ausland ansässigen Subunternehmen überlässt, sofern die in dem Herkunftsstaat des Subunternehmens geltenden Mindestlohnsätze niedriger sind, als die Mindestlohnsätze in dem Mitgliedstaat des öffentlichen Auftraggebers. Eine solche Regelung sei geeignet, die Erbringung von Dienstleistungen durch Unternehmen aus dem EU-Ausland zu verhindern bzw. weniger attraktiv zu machen. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung, die gegen das europäische Recht verstößt und unzulässig ist.
Dem Urteil liegt eine Beschwerde der Bundesdruckerei gegen die Vergabe eines Archivierungsauftrags durch die Stadt Dortmund zugrunde. Das bundeseigene Unternehmen wollte die Dienstleistung mithilfe seiner politischen Tochtergesellschaft abwickeln, ohne den Arbeitnehmern den in NRW (§ 4 Abs. 3 des Gesetzes des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge) geltenden Mindestlohn von 8,62 € zahlen zu wollen.
Aufgrund der Differenz zwischen den gesetzlichen Mindestlöhnen in Deutschland (flächendeckender Mindestlohn ab 01.01.2015 von 8,50 € pro Stunde) und Polen (aktuell umgerechnet ca. 2,50 € pro
Stunde / 1680 PLN monatlich im Jahre 2014, ab 01.01.2015 1750 PLN monatlich gem. poln. Ustawa z dnia 10 października 2002 r. o minimalnym wynagrodzeniu za pracę) ist die Entscheidung für den grenzüberschreitenden deutsch-polnischen Geschäftsverkehr von erheblicher Bedeutung.
Die Entscheidung bezieht sich zunächst auf Dienstleistungsverträge, bei denen die Dienstleistung komplett im EU-Ausland erbracht wird.